Freitag, 30. Oktober 2009

Führungsstile nach Lewin

Nach Kurt Lewin können die verschiedenen möglichen Führungsstile in drei Gruppen eingeteilt werden:
  • Autoritärer Führungsstil: Die Lehrkraft/ErzieherIn gibt die Inhalte, Vorgehensweisen, zeitlichen Bestimmungen und Ziele des Unterrichtsprozesses vor und kontrolliert streng sowohl den Vorgang als auch die Ergebnisse. Die SchülerInnen sind zum Gehorsam verpflichtet und haben kein Mitbestimmungsrecht.
  • Demokratischer Führungsstil: Die Lehrkraft/ErzieherIn bezieht die SchülerInnen in der Planung, Zielsetzung und Durchführung des Unterrichts mit ein. Die SchülerInnen werden zur Mitwirkung und Selbsttätigkeit aufgefordert. Sie können ihre Meinung frei äußern und werden ermutigt, ihre eigenen Ansichten zu vertreten.
  •  Laissez-faire - Führungsstil: die SchülerInnen sind weitgehend sich selbst überlassen. Sie haben große Freiheit und müssen sich selbst organisieren. Die Lehrkraft/ ErzieherIn vernachlässigt es, Hilfestellungen oder Anregungen zu geben. 

Klassenführung aus Schülersicht

Klassenführung zeichnet sich aus Schülersicht v. a. durch didaktisches Können und persönlichen Umgang aus. Wichtig dabei ist, als Lehrer die Fähigkeit zu besitzen, sich gegenüber der Klasse durchzusetzen und zu behaupten, wobei Einfühlungsvermögen eine hohe Priorität aufweist. Schüler wünschen sich zwar humorvolle Lehrer, welche auch großzügig sind, aber in wichtigen Angelegenheiten konsequent und sicher handeln. Schwäche, Unsicherheit und Fehlen von fachlicher Kompetenz werden abgelehnt.
Lehrer sollen Persönlichkeiten sein, die auch eine menschliche Seite zeigen, jedoch auf die eigentliche Aufgabe des Unterrichtens abzielen, wobei gelegentlich verständnisvolles Entgegenkommen gewünscht ist. Vor allem aber erwarten Schüler, dass ein Lehrer hohes Engagement zeigt und sich durch methodische Vielfalt auszeichnet.
Gelingende Klassenführung beruht nach Ansichten befragter Schüler auf eindeutigen Anweisungen, verständlichen und wiederholten Erklärungen, der Durchsetzungsfähigkeit des Lehrers sowie auf einem humorvollen Umgang mit der Klasse. Die Mehrzahl der Schüler erwartet, dass Ordnung, Ruhe und Arbeitsmöglichkeiten hergestellt und aufrechterhalten werden, dass Lehrer sich sprachlich zusammennehmen. Die meisten Schüler ziehen folglich klare Anweisungen ihrer Lehrer einer ungeplanten Unterrichtseinheit ohne Ziele vor. Apel (vgl. 2002, S. 120) betont, dass eine professionelle Planung und Organisation des Unterrichts das Um und Auf für eine erfolgreiche Klassenführung ist, welche den Großteil der Klasse anspricht und zur Lernbereitschaft anregt.
Weiters wird auch Durchsetzungsvermögen von Lehrern verlangt. Wird der Unterricht  z.B. durch. provozierendes Lachen, Reinrufen… gestört, entwickeln Schüler v. a. dann eine Lernbereitschaft und eine „realistische Grundhaltung, Schule als notwendig zu begreifen“, wenn Störungen konsequent geahndet werden. Um folglich dem Führungsanspruch in einer Klasse gerecht werden zu können, ist nicht nur fachliches Wissen und didaktisches Können nötig, sondern auch Techniken der Menschenführung (vgl. Apel 2002, S: 88 f.).


Der pädagogische Takt

Der pädagogische Takt ist eine Fähigkeit, Einzelfälle bzw. Vorgänge in der Klasse rasch zu analysieren und je nach Situation variabel zu ahnden. Tritt beispielsweise Provokation im Unterricht auf, so ist es manchmal angebracht, scharf zu reagieren, ein andermal diese jedoch zu überhören. Einmal ist es besser Fehlverhalten streng zu ahnden oder dieses mit Humor zu entschärfen, einen Schüler stärker zu fordern, ein anderes Mal diesen jedoch zu schonen. Takt ist sozusagen gleichzusetzen mit „Gespür“, wobei dies oft nur in der Praxis erlernt werden kann. Manchmal kann es aber auch vorkommen, dass Lehrpersonen „taktlos“ handeln, wobei Schüler meist sehr empfindlich reagieren. Eine einzige „Ungerechtigkeit, eine falsche Beschuldigung, eine öffentliche Bloßstellung, ein spöttisches Wort“ verankert sich meist tief im Inneren der Schüler und bleibt meist unvergessen, wobei viele gute Taten des Lehrers diesen einzigen Fehler nicht kompensieren können. Umgekehrt kann ein Taktbeweis in unangenehmen Situationen sehr geschätzt werden und immer in Erinnerung bleiben (vgl. Glöckel 2000, S. 64 f.).

Literatur:
Glöckel, H. (2000). Klassen führen – Konflikte bewältigen. Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt.


Montag, 19. Oktober 2009

Die sozialen Beziehungen in einer Ganztagsschule

Beziehungen der Schüler untereinander
Das länger dauernde Beisammensein wirkt sich auf die Beziehungen und auch auf die Rolle der Schüler aus:
- Die alternativen Gestaltungsmöglichkeiten verringern die Schulangst.
- Schüler haben größere Selbständigkeit und freiere Zeiteinteilung, können ihr individuelles Leistungsprofil entfalten und individuelle Bedürfnisse befriedigen.
- Das bessere Verhältnis zueinander wird durch den Abbau von Konkurrenz- und Rivalitätsverhalten nachweislich festgestellt. Wesentlich dafür ist die gemeinsame Gestaltung der Freizeit, wo sich Gemeinschaften hinsichtlich der Interessen bilden und dadurch hohe Akzeptanz erreicht wird. Auch größere Partnerschaftlichkeit wurde beobachtet, was mit dem hohen sozialen Kontakt begründet werden kann und für die Persönlichkeitsbildung der Schüler von hoher Relevanz ist (vgl. Leitner
1984, S. 73).

Beziehungen Lehrer-Schüler
Auch das Lehrer-Schüler-Verhältnis ändert sich in Ganztagsschulen relativ zu herkömmlichen Schulen. Weil Lehrer den ganzen Tag bei den Schülern sind, bieten sich vielfältige Möglichkeiten zu sozialem Lernen und erzieherischer Beeinflussung. Lehrende in Ganztagsschulen glauben, dass sie vom Unterrichten freier werden und sich mehr Erziehungs- und Beratungsaufgaben widmen können. Durch den Freizeitbereich in der Ganztagsschule können Lehrer die Schüler und deren Fähigkeiten näher kennenlernen und ein Vertrauensklima aufbauen. Dadurch entstehen auch mehr Möglichkeiten zur gemeinsamen Aufarbeitung von Lerndefiziten (vgl. z.B. Leitner 1984, S.71).
Andererseits können diese veränderten Anforderungen Lehrer auch schwierig sei. So weist etwa Weiß (1976, S.41ff) auf erweiterte Anforderungen an das didaktisch-methodische und erzieherische Handeln durch Ganztagsschulen hin. Dabei ist weniger die veränderte Schulzeitstruktur problematisch, sondern z.B. die Integration der Hausaufgaben in den Unterricht, die organisatorische Bewältigung der Blockstunden, und das mangelnde Umstellungsvermögen der Lehrenden.

Literatur
Leitner, L. (1984). Ganztägige Organisationsformen der Schule: Ganztagsschule und Tagesheimschule. Wien: Österreichischer Bundesverlag.
Weiss, E. (1976). Probleme der Lehrerrolle in der Ganztagsschule. In R. Dorner & H. Weiss, V. (2000). Die IQ-Falle. Intelligenz, Sozialstruktur und Politik. Graz: Leopold Stocker.

Organisation einer Ganztagsschule

Der Tagesablauf an einer Ganztagsschule ist typischerweise in drei Aktivitätsbereiche geteilt: Unterrichts-, Lern- und Freizeitbereich (vgl. Leitner 1984, S.76ff):
• Weil Üben und Wiederholen nicht mehr in den häuslichen Bereich ausgelagert, werden Unterrichts- und Lernbereich möglichst abwechslungsreich gestaltet, und dabei psychologische sowie physiologische Gesichtspunkte der Leistung berücksichtigt,
• Als Lernbereich ist zumindest eine Einheit vorzusehen, in der die individuelle Förderung im Vordergrund steht. Darin erfolgt v.a. die Aufgabenbearbeitung, die Auswertung der Lösungen und konstruktives Feedback.
• Der Freizeitbereich der Schüler in Ganztagsschulen umfasst ca. ein Drittel der gesamten Zeit an der Schule. Der Freizeitbereich dient v. a. der Erholung, soll aber auch aktivieren und so einen eigenen Sinn bekommen. Dazu können Lehrer auch Interessen, Kreativität und Spielverhalten der Lernenden fördern. Dabei gibt es gelenkte Freizeit mit schwerpunktmäßig selbst gewählten Kursgruppen und unverbindlichen Übungen, und ungelenkte Freizeit, die von jedem Schüler individuell, aber unter Aufsicht zu gestalten ist.

Literatur
Leitner, L. (1984). Ganztägige Organisationsformen der Schule: Ganztagsschule und Tagesheimschule. Wien: Österreichischer Bundesverlag.

Freitag, 16. Oktober 2009

Raum-Zeit-Konzept bei Piaget

Piaget meinte, dass Raum-Zeit Konzepte nicht angeboren sind, sondern das einzige angeborene räumliche oder zeitliche Wissen besteht nur in biologischen Verhaltensweisen, wie das Daumen lutschen oder der Greifreflex bei Neugeborenen. Diese Verhaltensweisen setzen sich aus den folgenden Aspekten zusammen, die durchaus im Sinne Kants als Apriori verstanden werden können:
  • Separation: Unterscheidung wahrgenommener Objekte
  • Nähe
  • Ordnung: räumlich und zeitlich
  • Einschluss: Unterscheidung zwischen innerhalb und außerhalb
Nähe und Einschluss werden durch den Tastsinn, Separation durch den visuellen Sinn festgestellt. Temporale Ordnung wird zuerst auch mittels des Tastsinns festgestellt. Nach der Geburt, wenn die Augen des Kindes noch nicht gut fokussieren können, erfährt es eine temporale Ordnung dahingehend, dass es gefüttert wird kurz nachdem es begonnen hat zu schreien. Das Kind erfasst den Raum noch relativ und topologisch.
Die erste räumliche Wahrnehmung des Kindes ist also eine egozentrische, denn es sieht sich im Mittelpunkt des Geschehens und besitzt noch keine weiteren Sichtweisen. Die Vorstellung eines allein stehenden, kontinuierlichen Raumes ist die Grundvoraussetzung um ein Konzept zu entwickeln, dass von Objekten ausgeht, die unabhängig vom eigenen Selbst bestehen. Erst mit zunehmenden Alter und zunehmender Mobilität ändert das Kind seine Sichtweise, indem es durch den Raum navigiert und seine Umwelt erfährt.

Arten des Wissens nach Piaget

Piaget unterscheidet zwei Arten des Wissens: Das figurative oder symbolische und das operative Wissen. Das figurative Wissen ist das erste, das sich entwickelt. Es betrifft Elemente der Umwelt, mit denen man vertraut wird (Personen, Orte, Geschehnisse) und die anschließend kategorisiert werden, indem diese nach bestimmten Merkmalen charakterisiert werden (z. B. Größe, Farbe, räumliche Lokalisation und zeitliche Ausdehnung). Oft werden sie auch dahingehend kategorisiert, dass man sie mit Bezeichnungen versieht. Das operative Wissen entwickelt sich erst später. Hier werden Objekte aufgrund ihrer dynamischen Wechselbeziehung im Raum erfahren und wie das individuelle Verhalten, ebenfalls im Raum, verändert werden kann. Für Erwachsene stellt das operative Wissen den Hauptprozess zur Wissensausdehnung dar.
Weiters sind zwei komplementär zueinander stehende, funktionale Prozesse an Piagets These entscheidend: Die Assimilation und die Akkommodation7. Beide sind Aspekte der kognitiven Anpassung des Organismus an die Umwelt. Anhand eines Beispiels lassen sich beide Begriffe gut erklären: Ein Kind, dass auf die Welt kommt, besitzt einen angeborenen Greifreflex. Ein beliebiger Gegenstand, der anfangs zufällig, später automatisch ergriffen wird, wird quasi an den Greifakt „assimiliert“. Das Kind bemerkt jedoch bald, dass zwei komplett unterschiedliche Gegenstände auch unterschiedlich ergriffen werden müssen. Das ausgebildete Greifschema muss somit an das neue Objekt angepasst, sprich akkomodiert werden. Piaget unterteilte die Entwicklung vom figurativen zum operativen Wissen in viele weitere Schritte. Zusammenfassen kann man diese zu einem vierstufigen Schema („Stufenschema“).
Diese vier Stadien der Entwicklung haben folgende Charakteristika:
  • sie folgen aufeinander, nachdem das jeweils vorige Stadium abgeschlossen wurde
  • die Stadien kommen in allen Kulturen vor
  • die Stadien beinhalten quantitative und qualitative Unterschiede
  • in jedem Stadium besteht ein Gleichgewicht zwischen Assimilation und Akkomodation. Dieses Gleichgewicht wird durch Erfahrung und Erziehung gestört; dadurch wird das nächste Stadium erreicht.